Claus Angerbauer
„Das Ohr isst mit“
Musik und Kabarett
Das Ohr isst mit –
Bekenntnisse eines blinden Bluesers
Wenn Sie wissen wollen, welche Sinne für einen wahren Gourmet wirklich von Bedeutung sind, und warum nur Blinde echte Visionen haben, dadurch aber immer wieder in groteske Situationen geraten, und wenn sie einfach nur ein hohes Verlangen haben nach allerfeinstem Blues + Folk mit genialer einzigartiger Stimme, dann sind Sie in meinem Programm bestens aufgehoben.
Music and more
The singing Gemeinderat
„Nach den Programmen „Wie schön Euch nicht zu sehen“, „Blindes Verdauen“ und „der Seher“ ist „das Ohr isst mit“ mein viertes Programm dieser Art, in dem neben meiner Musik meine ganz speziellen Erfahrungen als Mensch mit Handicap höchst humorvoll vorgetragen werden.
Seit meiner Erblindung bin ich zum Thema Inklusion ständig unterwegs und versuche mit vielseitig gestalteter Öffentlichkeitsarbeit darauf hinzuweisen, wie wichtig es ist, die Integration von Menschen mit Handicap weiter voran zu treiben. Meine Musik verkörpere ich in meinen Programmen mit allergrößter Leidenschaft, die humoristische Aufarbeitung vieler meiner Erlebnisse als Blinder sollen zeigen wie bereichernd, erfrischend engagiert und lebensbejahend ein Leben mit Handicap sein kann“.
Kritiken:
Sensibles Ohr für Texte und Originalnähe
Angerbauer zu Gast im „Raabe’s“
VON FREIA OLIV
Steinebach: Die Stimme rollt rauchig. Die Zoten sind mindestens genauso herb wie die Lieder. Trotzdem kuscheln sich die Paare im „Raabe’s“ in Steinebach zusammen und erfreuen sich mehrere Generationen der Worte und Weisen.
Claus Angerbauer hat seinen Stil mit sehr populären Rockballaden und sehr gemeinen Bemerkungen gefunden. Zwischen derb bayerisch und breit amerikanisch angesiedelt, kann der Weßlinger ein (Stamm-)Publikum gewinnen, das locker unterhalten werden will. Dass der Gitarrist dabei kräftig zupackt, erleichtert das Zurücklehnen ungemein.
„Extrem- Couching“ für die Zuhörer also? Dafür wird zu heftig gerüttelt. Jugendkult mit „silikongeschwängerten Brüsten“ und Bob Dylan als Mahnmal des Zeitgeistes (Times are a-changing) sind eine der Kapriolen, die Angerbauer schlägt. Der blinde Musiker hat aber nicht nur ein sensibles Ohr für Texte und Originalnähe, sondern auch für seine Umwelt. Die „rustikale Abteilung Bodenverdichter“ erkennt er sofort unter den Joggern, mit einer satten Portion Humor rettet er sich aus der Fitnessflut, aus der Walker-Formel-Eins und aus der nachwuchsarmen FKK-Generation. Denn Angerbauer hat auf seine Weise beschlossen, jung zu bleiben: Dauerbrenner statt Mode, Cat Stevens statt neue Wildheit. Die Freiheit winkt noch immer vom Zug nach New Orleans.
„Nur Blinde haben echte Visionen – da bin ich mit George Bush einig.“ Nur Angerbauer kann sich diese gewaltige Portion Sarkasmus leisten. Feinbesaitet darf da keiner sein. Auch instrumental bleibt er, abgesehen von ein paar schrägen Pickings, beim Countrycharakter. Er lästert über die Bonsai-Robbie-Williams der Superstars ab und verlässt sich lieber auf sichere Erfolge. American Pie, Heart of Gold, Redemption Song. Seine eigenen Lieder liegen genau auf dieser Linie: beste Balladentradition.
Mit den Ohren die Augen öffnen
Der blinde Musiker Claus Angerbauer begeistert mit Lebensfreude und Retro-Rock
VON THORSTEN RIENTH
Anzing: Claus Angerbauer braucht seine hellbraune Gitarre und einen Holzboden. So einen wie in der kleinen Weinbeisser-Stube, auf den er mit den Zehen klopfen und den Rhythmus halten kann. Er schweigt, nicht zur Begrüßung kurz in die Runde, schlägt in die Gitarre und legt los mit Dylan-verdächtigem Akustik-Retro-Rock: Kratzige Stimme, zugekniffene Augen, den Kopf leicht nach vorne gebeugt. Wie eine Mischung aus Jerry Lee Lewis und einem lebenden Fragezeichen hängt er an seinem Instrument.
Umso überraschender, wie unbeschwert, leichtfüßig und spielfreudig Angerbauer, blinder Singer und Songwriter aus dem Münchener Westen, mit „Open Up Your Eyes“ beginnt. Zynisch? Nein! Augen kann man auch mit den Ohren aufmachen, ist die These, die er gleich mehrmals am Abend besingt. Ab und zu greift er zur Mundharmonika, bläst eine kurze Melodie, kneift dann wieder die Augen zu und singt mit dem Klang zwischen Rachenkrebs und rostigen Sargnägeln weiter. So ist er, und so mögen ihn seine Zuhörer im Weinbeisser.
Angerbauer singt von Ellbogenwelten, von fadenscheinigen Alibis, vom Ritt gegen den Wind und davon, wovon er träumt und was er ist. „Yes I’m free“ singt er lauthals heraus. An Lebensfreude mangelt es ihm wahrlich nicht, an musikalischem Können ebenso wenig. Das wundert wenig: Kommt er vom Spazierengehen heim, setze er sich auf die Couch und schreibe Lieder, erzählt er.
Bei „On my Way to Hollywood“ bekommt George Bush zuerst lyrisch die Breitseite ab und nach dem Lied wird auch noch mit einem kurzen Witz die Abneigung vor dem Herrn aus Texas klar gestellt. Wo denn bitteschön der Unterschied zwischen Gott und dem US-Präsidenten liege, will Angerbauer wissen. „Gott weiß, dass er nicht George Bush ist!“ Angerbauer ist allein auf der nicht einmal zwei Quadratmeter-Bühne, aber nicht leise und alles andere als einschläfernd. Unweigerlich möchte man ihn auch nach eineinhalb Stunden noch draußen an ein Lagerfeuer in den Schnee setzen und sagen: „Spiel noch ein bisschen.“ Weinbeisser-Hausmeister Conny Hoffmann würde den Wein bringen und ein bisschen von seinem Südtiroler Speck, Rudi Zapf seinen Hocker mitnehmen, die Füße übereinander schlagen und sagen: „Schee is‘.“
Optimismus ungetrübt –
Angerbauer würzt Musik mit rauer Stimme
VON FREIA OLIV Weßling
Kein anderer dürfte solche Zoten bringen. Kein anderer dürfte so sozial unkorrekte Behindertenwitze reißen. Claus Angerbauer ist heftig, fast schon makaber. Doch wer selbst seit Jahren blind ist, erlebt die Welt ganz anders. Der schwarze Humor des Weßlingers, der am Samstag im Pfarrstadel in Weßling ein Heimspiel hatte, ist auch gekennzeichnet von einem nicht niederzubügelnden Optimismus. Und so vermitteln die Musik und die kabarettistischen Einlagen des Weßlingers vor allem Energie und Spaß vor einem durchaus engagierten Hintergrund. Weil die Behinderten-Schiene seit dem Grand-Prix-Fiasko der blinden Sängerin Corinna May im Jahr 2003 nicht mehr zieht, hat Claus Angerbauer laut eigener Aussage zwar so langsam seine Superstar-Avancen aufgegeben. Am Samstag im Weßlinger Pfarrstadel aber sonnte er sich trotzdem im Lichte des Ruhms. Er spielte nahezu perfekt, was seine Generation auch mitgeprägt hat – Bob Dylan, Neil Young, Pink Floyd, Cat Stevens. Die Liedermacher-Songs, der Blues, die Sehnsucht der Hippie-Bewegung sind bei dem 50-Jährigen in Fleisch und Blut übergegangen. Er würzt seine Interpretation mit einer rauen, tiefen Stimme, die nur ganz selten einer sanften, balladesken Interpretation weicht. Viel Kraft steckt in den Titeln, die so auch nach Jahrzehnten ihre Bedeutung und ihre Intensität behalten. Das „Extrem Couching“ hat sich bei Angerbauer also durchaus bezahlt gemacht: In Sachen Gitarre spielen kann ihm so schnell keiner was vormachen. Zwei seiner Schüler, Martina Pollinger und Manuel Friedel, hat er ins Programm integriert, das er mit leichtem Picking, mit gewaltigen Strums ausreizt. Kein Wunder: Schließlich hat Angerbauer schon als Jugendlicher mit Holzlatten, Nylonschnur und dem Klopfsauger als Mikro vor dem Spiegel den rechten Rock geübt. So manche Eigenkomposition ist inzwischen ganz in der Tradition der Bluesbarden zustande gekommen. Selten ist Angerbauer boshaft, er amüsiert sich meist über sich selbst und die Moden der Mitmenschen. Begegnungen mit den rustikalen Vertretern des Dauerlaufgeschwaders am See zeichnet er von der akustischen Warte aus nach. Genauso wie massive Verwirrungen durch Handy-Töne. Es sind teils derb bayerische Gedankenimpuls, die man so bekommt. Künftig wird man sich wohl überlegen, ob man mit Campingstuhl zu Katastrophentourismus ausrückt und die Herzdruckmassage mit rhythmischem Klatschen unterstützt.
Veränderte Sichtweise
Claus Angerbauers Solokonzert im Raabe
Steinebach
Gerappelt voll war es am Donnerstag in Raabes Wirtshaus in Steinebach. Der Anlass: Gitarrist und Sänger Claus Angerbauer aus Weßling gab quasi ein Heimspiel. Doch wer die große Zustimmung des Publikums nur dem Umstand zuschreiben wollte, hier werde einem Nachbarn applaudiert, der irrte. Angerbauer hat Wohlwollen beileibe nicht nötig. Nach dem ersten Song schon war er außer Atem – er gehe jetzt eben auch schon auf die 50 zu, sagte Angerbauer leicht ironisch – doch die Atemlosigkeit war wohl eher eine Koketterie, denn der Musiker hat, das bewies der Abend, einen langen Atem. Interessanterweise war es im Steinebacher der zweite Abend in Folge mit einem Solokonzert. Doch der Gegensatz zwischen Christina Lux und Claus Angerbauer könnte größer nicht sein. Die beiden gehören in ganz signifikanter Weise verschiedenen Generationen an – das Alter spielt dabei die kleiner Rolle, denn wer Musik macht, ist und bleibt in der Regel jung dabei. Aber die stilistische Ausrichtung verrät manches über die Prägungen, die ein Musiker im Laufe seiner Lebenszeit aus erster Hand erhalten hat. Wo die Sängerin Lux mit ausgefeilten stimmlichen Mitteln und Ausflügen in viele Stile überzeugen konnte, setzt Angerbauer ganz auf die Tradition der Singer-Songwriter aus den Zeiten von Flower Power und Studentenbewegung mit Ikonen wie Cat Stevens oder Neil Young. Angerbauer beherrscht sein Handwerk souverän. Seine gesungenen Erzählungen, mal Songs der berühmten Kollegen, mal Eigenkompositionen, sind stilistisch und von der Originalität her betrachtet, absolut hörenswert. Aber vielleicht muss man schlicht ein gewisses Alter erreicht haben, um solche Musik wirklich zu verstehen. Dann hat man die emotionalen Schnittstellen, die aus dieser Musik einen Ausflug in alte Zeiten, einen Rausch des Assoziativen machen. Zur Musik gesellten sich die fast schon kabarettistischen Zwischentexte. Vor rund einem Jahrzehnt erblindete Claus Angerbauer. Doch aus diesem Umstand leitet er keine Lebensbewältigungsformeln ab. Er hat schlicht seine Sichtweise der Dinge verändert – jawohl: Sichtweise, denn die hängt nicht nur vom Augenlicht ab. ANDR� KRELLMANN
Mit Neil Young auf cremefarbenem Sofa Ehrlich ung gut: Claus Angerbauer solo
VON ANDREAS BRETTING Weßling�Claus Angerbauer solo: Dazu füllte sich dieser Tage der Weßlinger Pfarrstadel mit ungewohntem Publikum. Jeans und Westernhemden dominierten die Szene, als der Rock-Barde auf einem cremefarbenem Sofa Platz nahm. Für die rund 50 Zuhörer inszenierte der Weßlinger Musiker Siebziger-Jahre Stimmung pur. Nur mit einer verstärkten Akustik-Gitarre bewaffnet, brachte er Cat Stevens, Crosby, Stills & Nash und zahlreiche Eigenkompositionen zu Gehör. Das erstmals aufgeführte Solo-Programm stützte sich stark auf eigene Balladen. Große Wirkung zeigten die von einem trockenen Blues geprägten Zeilen von „Obsession“ und „Born just on the Road“. Dazwischen ein aktueller Cover-Song („Your life is now“) und eine bissige Anekdote über die Jogger am See – schon war das Publikum ganz und gar für Claus Angerbauer eingenommen. Das dritte Element des Abends mussten natürlich die Ohrwürmer sein. Ob „Put the load right on me“ oder „Here comes the sun“ – ganz selbstverständlich und ungekünstelt traf Claus Angerbauer die Stimmung der Zeit zwischen Hippies und Dallas. „Keep on searching for a heart of gold“ klang mit der umgeschnallten Mundharmonika ganz so, als habe Neil Young persönlich in Weßling hereingeschmeckt. Für das echte „Feeling“ sorgte nicht nur das Gitarrenspiel, sondern vor allem die Stimme von Claus Angerbauer. Die kehlige, kraftvolle Rauheit erinnerte stark an Joe Cocker und passte hervorragend zum Genre. Besonders dann, wenn Claus Angerbauer mit seinem Organ gefühlvoller wurde, stellten sich Gänsehauteffekte ein. Ganz deutlich zeigte dies „Cats in the Cradle“, das vor einigen Jahren von Ugly Kid Joe gecovert worden war. Durch die kernige Aussprache wurde die Geschichte vom Rabenvater noch berührender und intensiver. Die schwer zu treffende Figur vom reuigen Macho gelang bestens.